Von dem unmittelbaren Zugriff auf die Bildinformationen, wie man ihn bei der einfachen Röntgentüte vergangener Zeiten noch hatte, ist man jedenfalls in digitalen Zeiten weit entfernt. Der Griff nach den „analogen“ Bildern dauerte jedenfalls in der Regel weniger lange als deren Betrachtung und Beurteilung, erinnert sich Golder. Heute sind die Anlaufzeiten länger — manchmal sogar viel länger. Da schiebt man die CD/DVD in den Laptop, wartet unterschiedlich lange, bis sie vom jeweiligen DICOM-Viewer (Software zum Anschauen digitaler Röntgenbefunde) erkannt und geräuschvoll inkorporiert worden ist, bis man aufgefordert wird, sie zu öffnen, bis man an die Übersichtsdarstellung der gespeicherten Bilddateien gelangt und das Angebot bekommt, diese in beliebiger Reihenfolge zu öffnen. Und wenn dann das Anzeigeprogramm noch eine Oberfläche und Bedienung hat, mit denen man noch nicht vertraut ist, verstreicht noch mehr Zeit. Nach Golders sehr groben, aber wohl nicht ganz unzutreffenden Schätzung und unter Berücksichtigung seiner eigenen Erfahrungen bleibt mindestens jede zweite CD/DVD, die radiologische Daten trägt, ungeöffnet und damit unbeachtet in den Akten liegen. „Was für ein Defizit auf dem Weg zur Fachinformation!“ bedauert Golder, „was für ein Verzicht auf eigenständige Beurteilung des Bildmaterials! Was für ein intellektueller Verlust!“
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Eichstädt bei Berlin, 20. Juli 2023.
Bildnachweis
• Owen Beard (unsplash.com, DK8jXx1B-1c).
Quelle
• Golder WA: Die Bilder springen nicht in die Augen. Nervenarzt. 2023 Jul 14 (DOI 10.1007/s00115-023–01527‑y).