In der Medizin verweht die Wahrheit schneller als der Wind. Eine neueste US-Analyse zeigt: Rund 400 Therapien sollten beendet werden, weil sie — wie hochkarätige Studien jetzt zeigen — für Patienten wertlos oder sogar schädigend sind [1]. Die Forscher hatten dazu Aussagen von Tausenden randomisiert-kontrollierter Studien aus den drei weltweit besten medizinischen Fachzeitschriften überprüft (2003–2017). Die Forscher fordern jetzt — ebenso wie der Deutsche Medical Wellness Verband (DMWV), Berlin -, die weitere Anwendung wertloser Therapieverfahren einzustellen, um die Patientenversorgung zu verbessern und sinnlose Ausgaben zu beenden. Dies gilt gleichermaßen für Verfahren der sog. „Schulmedizin“ als auch der Komplementär- und Alternativmedizin (KAM), so der DMWV.
Beispiele: * Häufig werden zur Vermeidung von Oberschenkelhals-Brüchen durch Stürze älterer Menschen in Heimen sogenannte Hüftprotektoren aus Kunststoff empfohlen. Diese haben aber nicht die erhofften Effekte und schränken sinnlos die Lebensqualität ein. * Orthopäden lieben es, bei einem Meniskusriss im Kniegelenk mehr oder aufwändige Meniskus-Operationen durchzuführen. Diese haben aber keine besseren Effekte als nicht-operative physiotherapeutische Rehabilitation, dafür aber deutlich mehr Risiken und enorme Kosten. * Und als letztes Beispiel: Der mögliche Nutzen des Brustkrebs-Screenings (Mammographie) ist im besten Fall zehnmal kleiner als die ernsthaften Schäden durch Überdiagnose. Konsequenzen: Einfach auf diese und die anderen Hunderte Verfahren verzichten. Sonst gilt einmal mehr: Wir werden nicht „wegen“ der modernen Medizin so alt, wie noch nie, sondern „trotz“ der Medizin. [1]
Ergänzung: Noch ein Beispiel, das dem Autor selber sehr am Herzen liegt (aus einem gerade erst publizierten, aktuellen Fachbuch). Dort heißt es: Die Lebensverlängerung von Krebspatienten ist — natürlich — ein anstrebenswertes Ziel. Aber: Die meisten Krebsmedikamente verlängern das Leben nicht oder nur in sehr geringem Maße. Die mediane Verlängerung im Gesamtüberleben durch die 71 Krebsmedikamente, die zwischen 2002 und 2014 zugelassen wurden, betrug 2,1 Monate (teilweise sogar noch weniger). Ob die — für Patienten oft viel wichtigere — Lebensqualität unter der meist aggressiven Therapie besser wird, erfassen die meisten Studien überhaupt nicht [2]. Genau ein solches Mehr an Lebensqualität durch eine Behandlung, an Selbstbestimmung in dem Medizinapparat und an Berücksichtigung der Patientenwünsche ist auch eine zentrale Forderung des DMWV für alle Bereiche der Medizin.
Quellen
[1] Herrera-Perez D, Haslam A, Crain T, Gill J, Livingston C, Kaestner V, Hayes M, Morgan D, Cifu AS, Prasad V: A comprehensive review of randomized clinical trials in three medical journals reveals 396 medical reversals. Elife. 2019 Jun 11;8 (DOI | PMID.
[2] Eric H. Bernicker (ed.): Cancer and Society — A Multidisciplinary Assessment and Strategies for Action. 2019 Publisher Name Springer, Cham, 2019 (DOI).
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Berlin (DJV, VMWJ), Pressesprecher Deutscher Medical Wellness Verband (DMWV).
Bildnachweis
• Joel Valve (unsplash.com, OjaSYYejvyI).