Übergewicht: Ursachen unklar, Lösungen vorhanden

Übergewicht - Normalgewicht Weit über eine Mil­liarde Men­schen weltweit ist übergewichtig (BMI 25–25,9) oder adipös (BMI ≥30). Es ster­ben heute mehr Men­schen an den Fol­gen von Übergewicht als an den Fol­gen von Hunger. Übergewicht ist direkt nach dem Rauchen, wie Forschun­gen des Deutschen Kreb­s­forschungszen­trums (DKFZ) ergeben, die zweitwichtig­ste zivil­i­sa­tions­be­d­ingte Ursache für Kreb­serkrankun­gen. Einige hoch bezahlte Elite­forsch­er in den USA hat­ten nun nichts Besseres zu tun, als die Stof­fwech­se­lak­tiv­ität unter­schiedlich­er Fettgewebe zu unter­suchen (weiß, braun, beige) und über chemis­che Wirk­stoffe nachzu­denken, die als Sig­nal­stoffe die Fettver­bren­nung bes­timmter „brauner“ Fettzellen vielle­icht steigern kön­nten (Cypess AM et al., Cell Metab. 2015). Die Hoff­nung, eine der größten gesund­heitlichen Her­aus­forderun­gen der Men­schheit alleine mit Tablet­ten zu besiegen, ist illu­sorisch, so stellt der Deutsche Med­ical Well­ness Ver­band (DMWV), Berlin, fest. Ganz abge­se­hen davon, dass alle bis­lang vorgestell­ten Medika­mente gegen Übergewicht mehr Neben­wirkun­gen als dauer­hafte Vorteile haben.

Das genan­nte Beispiel „Isolierte Steigerung der Fettver­bren­nung“ zeigt dies deut­lich: Wie hirn­ver­dreht eine solche kün­stliche Fettzell-Stim­u­la­tion als Adi­posi­tas-Ther­a­pie wäre, und wie sehr sie Men­schen sog­ar krankmachen kann, wird klar, wenn die natür­liche Zell-Biolo­gie berück­sichtigt wird. Die dauer­hafte Stof­fwech­sel-Anre­gung von Zellen über ihr natür­lich­es Maß hin­aus führt näm­lich zu beschle­u­nigter Zell­teilung, erhöht grund­sät­zlich die Zell-Sterblichkeit und bed­ingt eine vorzeit­ige Alterung. Und: Eine vorzeit­ige Zell-Alterung erhöht auch die Kreb­s­ge­fahr. Eine medika­men­tös bed­ingte, unphys­i­ol­o­gisch gesteigerte Stim­u­la­tion des Fettzell-Stof­fwech­sels ver­sucht also den Teufel mit dem Beelze­bub auszutreiben!

Doch das ist noch nicht alles: Die im Kör­p­er von Übergewichti­gen ein­ge­lagerten Fettmen­gen sind ja gar nicht das eigentliche Prob­lem! Übergewicht oder Adi­posi­tas sind let­ztlich nur Symp­tome ein­er chro­nis­chen Erkrankung, die ihren Ursprung fast niemals im Fettgewebe selb­st hat. Die kün­stliche Steigerung der Fettver­bren­nung ist also nur eine symp­to­ma­tis­che Behand­lung — genau­so lächer­lich wie die langfristig sinnlose Fet­tab­saugung oder die eben­falls meist wirkungslosen Anti-Adipositas-Operationen.

Schuld? Übergewichtige sind nicht sel­ber schuld!

Lei­der sind solche Forschun­gen noch aus einem weit­eren Grund voll­ständig sinn­los und eine unnötige Ver­schwen­dung von Steuergeldern: Obwohl Übergewicht und Adi­posi­tas mit zu den wichtig­sten aktuellen Gesund­heit­sprob­le­men weltweit gehören, kon­nten auch viele Zehn­tausende wis­senschaftlich­er Adi­posi­tas-Stu­di­en während der let­zten 30 Jahre keine Ansatzpunk­te find­en, wie eine effek­tive Lösung ausse­hen soll – wed­er zur Vor­beu­gung noch zur Ther­a­pie. Tat­säch­lich haben sich die Ker­naus­sagen der moralin­sauren Adi­posi­tas-Forsch­er seit 100 Jahren nicht geän­dert: „Weil Men­schen zu viel essen und sich zu wenig bewe­gen (an bei­dem sind sie sel­ber schuld …!), wer­den sie dick“. Dieses soge­nan­nte Energiebi­lanz-Mod­ell (also: zu viele Kalo­rien durch Essen rein, zu wenige durch Aktiv­ität wieder raus) führt zu ein­er dauern­den Vor­wurf­shal­tung und Stig­ma­tisierung gegenüber den Betrof­fe­nen. Und wegen der damit sin­nig erzeugten Schuldge­füh­le zu mil­liar­den­schw­eren Umsätzen der Lebens­mit­telin­dus­trie (Light-Pro­duk­te), Medi­zin (Adi­posi­tas-Ther­a­pie) oder Fit­ness-Branche (Abnehm-Pro­gramme). Wegen unre­al­is­tis­ch­er Schön­heit­si­dole der TV-Glitzer­welt und wegen ständi­gen schlecht­en Gewis­sens der Betrof­fe­nen, wer­den alle Ange­bot – so sinn­los und teuer sie auch sind – ständig in Anspruch genom­men. Beispiel: Über 15% aller Deutschen machen zu jedem Zeit­punkt im Jahr eine Diät, um abzunehmen. Oder: Der Umsatz mit in Wirk­lichkeit dick machen­den Light-Pro­duk­ten ist mil­liar­den­schw­er. Hin­weis: Megas­tu­di­en vor allem in den USA und Europa zeigen, dass wed­er Bewe­gungs­man­gel noch erhöhte Nahrungsauf­nahme rel­e­vante Ursachen für Übergewicht sind!

Dass keine einzige der in den Medi­en bejubel­ten Diäten nach­haltig wirk­sam ist, zeigt sich auch daran, dass Wis­senschaftler oder Medi­en­vertreter ständig neue Diätvorschläge nach­le­gen, die – wie die anderen zuvor – eben­falls mehr oder weniger wirkungs­los sind. Und spätestens mit Ein­tritt des Jojo-Effek­tes ist die Sit­u­a­tion dann sog­ar oft schlim­mer als zuvor. Kurzum: Die unheilige Allianz aus Forschung, Medi­zin, Diät­branche, Phar­maun­ternehmen, Medi­en und staatlichen Insti­tu­tio­nen (Präven­tion­s­ge­setz) füllt sich mit den mil­lio­nen­fachen Schuldge­fühlen und Leid der Dick­en nach­haltig die Taschen. Hinzu kom­men jet­zt einige hun­dert Mil­lio­nen Euro jährlich, die über das Präven­tion­s­ge­setz in die Kassen der ewig gut meinen­den Anti-Fet­tleibigkeits-Apos­tel gespült wer­den. Und dies hört nie auf, da die gemein­sam bejubel­ten Konzepte wirkungs­los sind – ein ewiger, lukra­tiv­er Teufelskreis.

Darmflora (Mikrobiom) Eine Haup­tur­sache: Die geschädigte Darmflora

Auch der DMWV sieht in Übergewicht und Adi­posi­tas eine große gesund­heitliche Her­aus­forderung. Mögliche Lösun­gen begin­nen dort, wo das beschriebene Wertschöp­fungssys­tem zen­tral ver­sagt: Näm­lich bei der exak­ten Beschrei­bung der Ursachen. Wer­den diese nicht berück­sichtigt – eigentlich eine Bin­sen­weisheit! –, kann es kein­er­lei wirk­same Vor­beu­gung oder effek­tive Indi­vid­ual-Ther­a­pie geben. Neben häu­fi­gen Ursachen – vor allem Medika­menten-Ther­a­pie, die als Neben­wirkung mil­lio­nen­fach zu Übergewicht führt –, ist es vor allem eine geschädigte und funk­tion­s­gestörte Darm­flo­ra, die zum allmäh­lichen Anstieg des Kör­pergewichts führt.

Trans­plan­ta­tion der Darm­flo­ra dick­er auf schlanke Ver­such­stiere überträgt auch Adipositas

Diese Ein­sicht zur Bedeu­tung des enteralen Mikro­bio­ms bei Übergewicht und Adi­posi­tas erfuhr erst vor weni­gen Jahren eine uner­wartete und beein­druck­ende Bestä­ti­gung. In sei­ther mehrfach wieder­holten wis­senschaftlichen Stu­di­en zeigte sich, dass die Über­tra­gung von Darm­flo­ra dick­er Ver­such­stiere auf schlanke zu ein­er raschen Entwick­lung von Adi­posi­tas bei den zuvor schlanken Tieren führt. Selb­st Stuhltrans­plan­tate von dick­en Men­schen auf dünne Ver­such­stiere hat diesen Effekt. Aus ethis­chen Grün­den wird darauf verzichtet, Darm­flo­ra dick­er Men­schen auf dünne Proban­den zu übertragen.

Die bekan­nteste Schädi­gung der Darm­flo­ra tritt als uner­wün­schte Kom­p­lika­tion bei Antibi­oti­ka-Behand­lun­gen auf. Bere­its nach dem drit­ten Antibi­otikaein­satz ist, wie Stu­di­en kür­zlich zeigen kon­nten, die Darm­flo­ra irre­versibel geschädigt. Und bildet sich nicht mehr voll­ständig zurück. Eine weit­ere Ursache – neben dem mod­er­nen Junk­food mit sein­er Fülle auch für Darm­bak­te­rien tox­is­ch­er Inhaltsstoffe wie der großen Gruppe der Emul­ga­toren – ist der chro­nis­che Man­gel an speziellen Bal­last­stof­fen (wir nehmen heute im Ver­gle­ich zu vor 150 Jahren nur noch Bruchteile der Menge dieser für uns unver­daulichen Kohlen­hy­drate zu uns). Manche Bal­last­stoffe sind jedoch den­noch leben­snotwendig! Und zwar als Nahrung für Darm­bak­te­rien. Sie liefern der Darm­flo­ra die nötige Energie und Nährstoffe zum Über­leben. Liefern wir diese nicht mit dem Essen, sendet die Darm­flo­ra dauer­haft Hungersig­nale ans Gehirn und ver­hin­dert so die Sät­ti­gung beim Essen. Übergewicht ist die Folge.

Lösun­gen?

Auch die Grund­la­gen von Med­ical Well­ness liefern natür­lich keine allein selig­machende Lösung des weltweit­en Übergewicht­sprob­lems. Aber sie zeigen auch, dass Betrof­fene ohne eigene Beteili­gung keine Lösung find­en wer­den. Und hier knüpft der DMWV an die großen Vertreter der Naturheilkunde und ‑medi­zin an – Kräuterp­far­rer Sebas­t­ian Kneipp (1821–1897), den Darmträgheits-Spezial­is­ten F. X. Mayr (1875–1965) oder Stig Beng­mark (*1929).
Wassertreten • Voll­w­er­tige, in erhe­blichem Umfang mit speziellen Bal­last­stof­fen angere­icherte Ernährung (zum Beispiel das aus Weg­warten­wurzel hergestellte Inulin). Dabei sollte aber der Nahrungsan­teil an Bal­last­stof­fen nur allmäh­lich gesteigert wer­den. Anson­sten führt das „Freuden­fest“ der Darm­flo­ra ob des reich­halti­gen Nahrungsange­botes gern mal zu Neben­wirkun­gen wie Blähun­gen oder ver­mehrten Darmwinden. Diese bleiben aus, wenn die Darm­flo­ra allmäh­lich an das verbesserte Nahrungsange­bot (z. B. Inulin) gewöh­nt wird.
• Verzicht auf alle For­men von isolierten Zuck­ern, da sie tox­isch für den Stof­fwech­sel sind und zudem direkt an der Entste­hung von Adi­posi­tas beteiligt sind. Die meis­ten Süßstoffe sind eben­falls fatal. Sie wur­den eigentlich als Mast­förder­er für die Tier­mast entwick­elt und erhöhen auch bei Men­schen langfristig das Kör­pergewicht und steigern zudem erhe­blich das Diabetesrisiko.
• Noch vor 150 Jahren legten Men­schen zu Fuß täglich Streck­en von 25 bis 30 Kilo­me­ter zurück. Heute sind es im besten Fall vielle­icht 500 bis 600 Meter! Kör­per­liche Aktiv­ität – regelmäßige Spaziergänge, Rad­fahren, Schwim­men, Joggen und anderes – kön­nen den natür­lichen Bewe­gungs­be­darf des Kör­pers deck­en. Übri­gens: Der dabei gesteigerte Energie­ver­brauch ist völ­lig phys­i­ol­o­gisch und macht nicht krank! Zudem fördert erhöhte kör­per­liche Aktiv­ität – völ­lig natür­lich – die Umwand­lung und Aktivierung des weißen Bauch­fett-Gewebes zu ver­mehrt Kalo­rien ver­brauchen­dem, braunem Fettgewebe, ganz ohne alle chemisch-phar­mazeutis­chen Mit­tel (Stan­ford KI et al., Dia­betes. 2015).
• Auch grundle­gen­dere Umstel­lun­gen des Lebensstiles sind erfol­gre­ich. Maß­nah­men wie veg­e­tarische Ernährung wirken nicht nur „gefühlt“ gut, son­dern haben auch in riesi­gen Stu­di­en gezeigt, dass sich dabei das Kör­pergewicht nor­mal­isiert und die Lebenser­wartung um bis zu sieben Jahren steigt. Ähn­lich­es gilt für kon­se­quentes Inter­vall­fas­ten (iFas­ten).

Autor
• Rain­er H. Buben­z­er, Berlin (DJV, VMWJ), Press­esprech­er Deutsch­er Med­ical Well­ness Ver­band (DMWV).

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